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  • Daniel Peller

Marodes Jägerprojekt “Fellwechsel“ versucht Neustart

„Auch im kleinsten Pelzkragen, hat einmal ein Herz geschlagen.“ Mit ähnlichen Sprüchen machen Tierschützer*Innen derzeit wieder verstärkt auf das große, unnötige Leid aufmerksam, welches untrennbar mit allen Pelzprodukten verbunden ist. Auch wenn Pelzmäntel dank großangelegter Tierschutzkampagnen seit Ende des 20. Jahrhunderts aus der Mode sind, versucht die Pelzindustrie den Kunden – zum Teil mit bedauerlichem Erfolg – Pelz in Form von Fellapplikationen wie Bommel oder Krägen unterzujubeln.


Gerade jetzt zur Herbst- und Winterzeit sollte man als Tierfreund daher beim Einkauf genau hinsehen und Produkte mit Pelz – sowohl bei Mode als auch bei Deko-Artikeln – bewusst im Regal liegen lassen. Und zwar auch im eigenen Interesse, denn Echtpelz ist aufgrund der intensiven Verarbeitung durch Reinigungs-, Gerbungs- und Färbemittel keineswegs ein Naturprodukt, sondern oft stark mit Schadstoffen belastet.


Das Projekt Fellwechsel zieht Füchsen den Pelz über die Ohren
Diesem Fuchs zieht niemand den Pelz über die Ohren. Er darf auch Wohnzimmer zieren: https://sophiemutlu-art.com/

Auch Kunstfell ist natürlich alles andere als umweltfreundlich. Zudem verbirgt sich auch hinter vermeintlichem Kunstpelz zum Teil ein nicht oder falsch deklarierter Echtpelz. Schließlich trägt auch Kleidung mit Kunstpelz dazu bei, dass diese “Mode“ salonfähig bleibt und andere achten beim Kauf vielleicht nicht darauf, keinen Echtpelz angedreht zu bekommen. Es ist daher ratsam, grundsätzlich auf Produkte mit Pelz – egal ob echt oder künstlich – zu verzichten.


In den letzten Jahren hat sich einiges zum Besseren verändert: Einzelne Städte wie die US-Metropolen San Francisco und Los Angeles oder gar ganze Länder wie Israel haben Pelzhandelsverbote eingeführt. Immer mehr Marken erklären den Verzicht auf die Verarbeitung von Pelz in ihrer Kleidung. 2018 verzichteten die Teilnehmer der bekannten Londoner Fashion Week in ihren Kollektionen vollständig auf die Verwendung von Pelz.


Umso erschreckender ist, dass die deutsche Jägerschaft weiterhin vehement daran arbeitet, Pelz wieder salonfähig zu machen und zu vermarkten. Um dieses Vorhaben durchzusetzen, haben der Deutsche Jagdverband und der Landesjagdverband Baden-Württemberg das Unternehmen „Fellwechsel GmbH“ finanziert, das Echtpelze von Jägern ankaufen, verarbeiten und vermarkten sollte. Die Jäger bewerben die Felle als vermeintlich ökologisch unbedenkliches Nebenprodukt der angeblich sowieso notwendigen "heimischen Jagd" etwa auf Füchse. Tatsächlich bedeutet das jedoch nichts anderes, als dass die betreffenden Tiere vor den Flinten und in den Fallen deutscher Jäger auf oftmals grausame Weise zu Tode kamen. Selbst besonders umstrittene Jagdarten wie die Fallenjagd oder die Baujagd, die in Gutachten als "Tierquälerei" und "Missbrauch" von Wildtieren bezeichnet wurden, sind dabei an der Tagesordnung. Dass die Bejagung etwa von Füchsen weder notwendig, noch ökologisch unbedenklich, sondern sinnlos oder gar kontraproduktiv ist, belegen zahlreiche Studien und Praxisbeispiele fuchsjagdfreier Gebiete.


Doch um das Projekt „Fellwechsel“ durchzusetzen ist der Jägerschaft offenbar jedes Mittel recht. Wir möchten an dieser Stelle daran erinnern, dass das Projekt bereits mit einem handfesten Finanzierungsskandal startete: Im ersten Jahr seiner Geschäftstätigkeit hatte die Fellwechsel GmbH Verbindlichkeiten von über 400.000 Euro angehäuft. Bezeichnenderweise bestanden laut Bundesanzeiger 138.000 Euro dieser Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern – obwohl etwa der Deutsche Jagdverband satzungsgemäß ein gemeinnütziger Verein ist. Durch die Hintertür konnte damit wohl dessen Steuerbegünstigung genutzt werden, um ein fragwürdiges Wirtschaftsunternehmen zur Pelzvermarktung zu finanzieren. Zudem wurde das Projekt „Fellwechsel“ und damit ausdrücklich auch die „Vermarktung jagdlicher Erzeugnisse“ im Jahr 2018 vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie (MULE) in Sachsen-Anhalt mit Haushaltsmitteln in Höhe vom 100.000 Euro gefördert.


Das Projekt war und ist ein Flop: Da niemand (abgesehen von einigen ewig gestrigen oder völlig abgestumpften Individuen) mehr Pelzprodukte haben möchte, ist der Preis für Fuchsfelle sehr niedrig – so niedrig, dass die Fellwechsel GmbH bald verkünden musste, nicht zu diesen Marktpreisen produzieren zu können. Infolgedessen mussten ausstehende Zahlungen an die pelzliefernden Jäger hinausgezögert und die Ankaufspreise gesenkt werden. Für Füchse konnte gar kein Geld mehr bezahlt werden. Auch die Qualität der gelieferten Felle war zum Teil für eine Verarbeitung unzureichend, was nicht verwundert, wenn man einmal Bilder von den oft übel zugerichteten Jagdopfern gesehen hat.


Um dieses ethisch fragwürdige, skandalträchtige und marode Projekt der Jägerschaft am Leben zu halten, versucht man nun, die Corona-Krise für die (finanziellen) Schwierigkeiten des Unternehmens verantwortlich zu machen. Man hat während der Pandemie Kurzarbeit angemeldet und beginnt mit der Umstrukturierung des Unternehmens: Das operative Geschäft wird an die neue „Fellwechsel Vertrieb GmbH“ übergeben, der DJV will sich als Gesellschafter aus der Fellwechsel GmbH zurückziehen und Fellwechsel-Geschäftsführer Andreas Leppmann sowie der Leiter des Streifbetriebes Josef Segbers scheiden aus der Fellwechsel GmbH aus. Den Neustart ermöglicht haben auch viele Jägerinnen und Jäger, die auf eine Auszahlung ihrer “Balgprämie“ verzichten. Darüber hinaus hat der Versicherungsdienstleister Gothaer, welcher „Premiumpartner“ des Deutschen Jagdverbands (DJV) ist und einen Großteil der deutschen Jäger z. B. mit der Jägerhaftpflichtversicherung gegen Ansprüche im Schadensfall absichert, den Neustart finanziell unterstützt.

Mit der Umstrukturierung hält die Jägerschaft ein weiteres Mal an einem unsäglichen und maroden Projekt fest, welches jahrzehntelangen Tierschutzbemühungen und den gewachsenen ethischen Werten unserer Gesellschaft entgegensteht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die neue „Fellwechsel Vertrieb GmbH“ scheitern wird.

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Quellen:

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