In 89 Jagdbezirken in der Wetterau in Hessen wurden die ohnehin schon kurzen Schonzeiten für Fuchs und Waschbär durch eine Ausnahmegenehmigung aufgehoben. Das Hessische Umweltministerium beugt sich damit dem Druck der Jagdlobby: Diese fordert vehement, Fuchs und Waschbär wieder ganzjährig bejagen zu dürfen. Angeblich geht es dabei um den Schutz von Rebhuhn und Feldhamster, doch Studien zeigen, dass diesen bedrohten Arten nicht durch die Bejagung von Beutegreifern geholfen werden kann. Vielmehr werden Rote-Liste-Arten instrumentalisiert, damit man wieder ungestört Welpen am Bau erschießen, in Fallen fangen und erschlagen kann.
"Die Sinnlosigkeit der ganzjährigen Bejagung von Beutegreifern zum Erhalt der Feldhamster und Birkhühner (laut HGON und NABU ist das Birkhuhn in Hessen ausgestorben) erschließt sich aber auch ohne vertiefendes Studium der Gutachten" Bild: Thorsten Emberger
Das Vorstandsteam von TierfreundLich e.V., Mitglied des Aktionsbündnisses Fuchs, Mitgliedsverein e.V. fordert nun Antworten auf unbequeme Fragen ein, die es dem Hessischen Umweltministerium in einem Schreiben hat zukommen lassen. Nachfolgend der Text des Schreibens:
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Hinz,
sehr geehrte Damen und Herren,
wie verschiedenen Pressemitteilungen zu entnehmen war, wurde die Schonzeit für Fuchs und Waschbär erneut im Rebhuhn-Hegering Wetterau aufgehoben – offensichtlich mit der gleichen Begründung wie bereits im letzten Jahr, wie Ihre Antwort vom 22.12.2017 auf unsere Anfrage vom 31.05.2017 und die zitierten Textpassagen in der aktuellen Presse zeigen.
Wie wir Ihnen bereits in unserem Schreiben vom 12.01.2018 darlegten, ist Ihre Aussage, dass „… die Jagd neben der Biotopverbesserung eine herausragend wichtige Rolle spielt“, schlichtweg falsch – die Jagd spielt im Artenhilfskonzept Feldhamster überhaupt keine Rolle, wie das von Ihnen erwähnte Gutachten von Hessen-Forst FENA („Der Feldhamster in Hessen“, Artenschutzinfo Nr. 9) und das Gutachten „Erfolgskontrolle der Feldhamster- Schutzmaßnahmen in Hessen 2014“ (Büro Gall) eindeutig belegen.
Umso unverständlicher ist Ihre Entscheidung, die Schonzeit für Fuchs und Waschbär erneut aufzuheben – und auch noch die Anzahl der von der Ausnahmegenehmigung betroffenen Jagdbezirke von 57 im Jahre 2017 auf 89 in diesem Jahr auszuweiten („Wild und Hund“ vom 06.06.2018)!
Dieser inflationäre Anstieg ist wohl weniger der rasanten Ausbreitung des Feldhamsters geschuldet als vielmehr der Tatsache, dass immer mehr Revierinhaber die jagdliche Attraktivität einer Mitgliedschaft im Hegering erkannt haben:
Im Gutachten der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, „Artenhilfskonzept Rebhuhn in Hessen“ wird in Bezug auf den Rebhuhn-Hegering Wetterau ausgeführt, dass es „… Ziel des Hegerings ist, das Rebhuhn als Art in den Jagdrevieren zu erhalten und seinen Bestand insoweit zu erhöhen, dass es irgendwann (gemeint ist wahrscheinlich ab 2020, § 3 Abs. 3 HessJagd-VO) wieder als bejagbar gelten kann.“
Da der Spaß am (Rebhuhn) Jagen aber alleine kein vernünftiger Grund zum Töten eines Tieres im Sinne des Tierschutzgesetzes darstellt – erst Recht nicht das prophylaktische Töten hoch entwickelter Säugetiere und ihrer Jungen, um das Rebhuhn bis zu seiner jagdlichen Nutzung vor möglichen natürlichen Feinden zu schützen – muss der Feldhamster als „Flaggschiff“ des Hegerings (Wetterauer Zeitung vom 5.6.2018) herhalten.
Obwohl davon ausgegangen werden darf, dass die oben genannten Gutachten über Feldhamster und Rebhuhn bekannt sind, ebenso wie die Daten über die importierten schwedischen Birkhühner in der Bayerischen Rhön (die nach ihrer Zwangsumsiedlung trotz intensiver Bejagung von Beutegreifern regelmäßig versterben und immer wieder durch neue Wildfänge aus Schweden ersetzt werden müssen), werden die Ergebnisse dieser Arbeiten ignoriert bzw. nur selektiv zur Kenntnis genommen.
Die Sinnlosigkeit der ganzjährigen Bejagung von Beutegreifern zum Erhalt der Feldhamster und Birkhühner (laut HGON und NABU ist das Birkhuhn in Hessen ausgestorben) erschließt sich aber auch ohne vertiefendes Studium der Gutachten:
Bis 2016 wurden Fuchs und Waschbär ganzjährig bejagt, ohne dass diese sogenannte „jagdliche Regulierung“ etwas am Niedergang der Feldhamster und Birkhühner (oder anderer Feld- und Wiesenbewohner) geändert hätte – wie auch?
Nicht Fuchs oder Waschbär sondern der Verlust von Lebensräumen und Nahrungsquellen durch Monokulturen, Überdüngung und Pestizideinsatz in der industrialisierten Landwirtschaft sind die Hauptursachen des Artensterbens.
Obwohl damit die These der „herausragend wichtigen Rolle der Jagd“ für den Artenschutz widerlegt ist, wird unter dem Deckmantel des Artenschutzes die Schonzeitenregelung der neuen Hessischen Jagdverordnung ausgehöhlt – mit dramatischen Folgen:
„Laut Ministerium“ sollen im Jagdjahr 2017/18 alleine im Rebhuhn-Hegering Wetterau während der eigentlichen Schonzeit – die mit der Aufzuchtzeit von Füchsen und Waschbären korreliert – 32 % der gesamten Fuchs- und Waschbärstrecke des Landkreises Wetterau erlegt worden sein! (Quelle Wild und Hund, s.o.).
Eine verstörende Aussage, denn Niemand – auch kein Jagdausübender – kann erkennen, ob der Fuchs oder der Waschbär Nachwuchs zu versorgen hat, wenn der nicht gerade hinter dem Elterntier herläuft (was beim Waschbär beispielsweise erst ab einem Alter von ca. 10 Wochen der Fall ist).
Der Tod des Elterntieres hat unweigerlich den Hungertod der Tierkinder zur Folge – eine Katastrophe, die zumindest mit der Schonzeitenregelung, also dem Jagdverbot während der Aufzuchtphase, verhindert werden sollte.
Der Hinweis auf den sogenannten „Elternschutz“ nach § 22 Abs. 4 BJagdG ist daher eine Farce und dient ausschließlich als moralisches Feigenblatt, denn die Aussetzung der Schonzeit ist tierschutzwidrig und ein Verstoß gegen Artikel 20a GG.
Dass es aber noch barbarischer geht, ist in „Wild und Hund“ unter Hinweis auf das Ministerium nachzulesen: „Durch Baukartierung und den Einsatz von Wildkameras konnte zudem 2017 belegt werden, dass während der Schonzeitenaufhebung nahezu der komplette Zuwachs an Jungfüchsen erlegt und damit laut Ministerium eine ‚deutliche Reduktion erreicht wurde‘.“
Ist das die Art von Tier-und Artenschutz, die in Hessen propagiert wird? Ein perfekt durchorganisiertes Programm zur Vernichtung von Fuchs und Waschbär und deren Dokumentation?
Trotz Ihrer Absage, auf unser Schreiben vom 12.01.2018 zu antworten, beantragen wir den gleichen Informationszugang, wie sie den Mitgliedern im Hegering zuteil wurde (§§ 80 ff HDSIG).
Wir bitten daher erneut um Auskunft und knüpfen an die Fragen aus unserer Anfrage vom 31.05.2017 an, die in Ihrem Schreiben vom 22.12.2017 leider nicht beantwortet wurden:
Störung des biologischen Gleichgewichts
a) Welche Behörde bzw. welches Referat im HMUKLV ist legitimiert, eine Störung des biologischen Gleichgewichts festzustellen?
b) Welche wissenschaftlich belegbaren Daten werden der Feststellung der Störung des biologischen Gleichgewichts zugrunde gelegt?
c) Worin bestanden konkret diese bisherigen Störungen des biologischen Gleichgewichtes?
d) Wie oft und für welche Zeiträume wurden die Schonzeiten bisher in Hessen wegen Störung des biologischen Gleichgewichtes aufgehoben?
Jagdreviere mit Schonzeitenaufhebung
a) Wie viele Jagdreviere umfasst der Rebhuhn-Hegering in der Wetterau?
b) Wie groß ist deren Gesamtfläche?
c) Welche Kommunen sind von dieser Schonzeitenaufhebung betroffen?
Fallenjagd Laut Streckenliste wurden ca. 1/3 der erlegten Waschbären mittels Fangjagd getötet.
a) Wie viele Fallen (unterteilt in Lebend- und Totschlagfallen) sind in den Jagdrevieren mit Schonzeitenaufhebung im Einsatz?
b) Welche Mindestabstände zum Siedlungsbereich sind vorgeschrieben?
c) Werden die Bürger über die Anzahl der Fallen und deren Standorte informiert und werden die Fallen für die Bürger kenntlich gemacht (Hinweisschilder oder ähnliches)?
d) Wie hoch ist der Anteil der Fehlfänge?
Die Waschbärstrecke in Hessen im Jagdjahr 2017/18 liegt bei 28.089 Tieren und ist damit (trotz Schonzeitenregelung) der zweithöchste Wert in Hessen nach dem Jagdjahr 2012/13.
a) Wie viele Waschbären wurden im Rebhuhn-Hegering Wetterau erlegt und wie hoch ist die Streckenzahl durch Fangjagd?
b) Wie hoch ist die Streckenzahl innerhalb der regulären Schonzeit für Waschbären (01.03. – 31.07.2017)?
c) Konnte analog zum „Jungfüchse-Management“ nahezu der komplette Zuwachs an Jung-Waschbären erlegt werden?
Wer plant und kontrolliert die Maßnahmen zur „Reduktion“ von Fuchs und Waschbär?
Ihrer Antwort sehen wir gemäß § 87 HDSIG bis zum 05.08.2018 entgegen.
Opmerkingen