Sehr geehrte Frau Ministerin,
das Aktionsbündnis Fuchs ist eine Initiative von über 60 deutschen Tier- und Naturschutzorganisationen mit dem Ziel, Füchse vor ungerechtfertigten Nachstellungen zu schützen.
Der Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierung in Niedersachsen ist aus Sicht des Tier- und Naturschutzes sehr enttäuschend. Im Bereich der zulässigen Jagdmethoden, der Jagdzeiten sowie dem Verbot tierquälerischer Praktiken wie der Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Tieren sind deutlich weitreichendere Änderungen längst überfällig.
Als besonders problematisch sehen wir auch Ihre Pläne an, dass die Jagd mit Nachtsichtgeräten ausgerechnet – und gemäß Koalitionsvertrag offenbar ausschließlich – „zusammen mit den organisierten Jäger*innen evaluiert werden“ soll. Durch die Legalisierung der Verwendung von Nachtsichtvorsätzen und Nachtsichtaufsätzen für Zielhilfsmittel, die für Schusswaffen bestimmt sind, wurde weitreichender Tierquälerei bei der Jagdausübung Tor und Tür geöffnet:
1. Die nächtliche Ruhezeit für Wildtiere – auch für Tierarten ohne Jagdzeiten – fällt durch den Einsatz von Nachtsichtgeräten gänzlich weg. Die Zeiten, in denen Wildtiere vor jägerischen Nachstellungen sicher sind, werden drastisch verkürzt; Jagddruck und Stress steigen dadurch weiter an.
2. Nachtsichtgeräte sind kein Ersatz für das Ansprechen von Tieren unter geeigneten Sichtverhältnissen. Ihre Verwendung ermutigt Jäger noch stärker dazu, hochriskante Schüsse abzugeben, durch die Wildtiere nur verletzt, aber nicht sofort getötet werden. Das dadurch verursachte Leid wird noch dadurch verstärkt, dass zur Nachtzeit eine Nachsuche i.d.R. nicht erfolgen kann und – wenn überhaupt – frühestens am nächsten Morgen durchgeführt wird.
3. Tierarten wie Fuchs und Steinmarder, denen von Jägern als vermeintlichen Beutekonkurrenten ohnehin schon erbarmungslos nachgestellt wird, werden durch die Jagd mit Nachtsichtgeräten unter noch stärkeren Jagddruck geraten. Dabei ist gerade die Jagd auf Beutegreifer weder ökologisch noch epidemiologisch zielführend, wie unsere Zusammenfassung von mehr als 100 wissenschaftlichen Studien zu diesen Themen belegt. Letztlich wird das auch durch die negative Entwicklung der im Bestand gefährdeten jagdbaren Arten in Niedersachsen untermauert.
4. Durch den Einsatz von Nachtsichtgeräten entzieht sich die Jagd noch weiter der öffentlichen Beobachtung. Jagdvergehen werden dadurch noch schwerer entdeck- und dokumentierbar. Letztlich können Jäger dadurch noch uneingeschränkter und unkontrollierter schalten und walten als bisher schon.
5. Aufgrund der nächtlichen Beunruhigung von Wildtieren ist nach einhelliger Meinung von Wissenschaftlern davon auszugehen, dass jeder zusätzliche Stress dem Verbiss von jungen Pflanzen und dem Schälen von Bäumen Vorschub leistet.
6. Wie die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. in ihrer Stellungnahme zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes von 2020 ausführt, verstößt die Jagd mit Nachtzielgeräten selbst nach Einschätzung des Bayerischen Jagdverbands gegen die Waidgerechtigkeit. Damit stünde sie auch im unmittelbaren Konflikt mit dem Tierschutzgesetz.
Die Leidtragenden dabei sind Natur und Wildtiere und letztlich auch der Mensch, dem die Möglichkeit der Beobachtung der durch die jagdlichen Störungen zunehmend heimlicher werdenden Tiere genommen wird.
Bei der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Evaluierung der Nachtzieltechnik halten wir es für dringend erforderlich, diese nicht alleine oder vorwiegend mit der Jägerschaft durchzuführen. So ein Vorgehen ließe keine neutrale Bewertung des Status quo erwarten. Vielmehr muss eine sachliche Bewertung tierschutzrelevanter Themen wissenschaftlichen Maßstäben genügen und ethische Aspekte eingehend berücksichtigen. Das kann aus unserer Sicht nur in Zusammenarbeit mit jagdunabhängigen Tier- und Naturschutzorganisationen geschehen.
Mit freundlichen Grüßen
Aktionsbündnis Fuchs
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