Jedes Jahr werden allein in Deutschland rund eine halbe Million Füchse von Jägern getötet. Bei der Wahl der Mittel sind die Waidmänner wenig zimperlich: Welpen werden bereits am elterlichen Bau in Fallen gefangen und dann erschlagen oder erschossen; erwachsene Füchse werden in angeblich „sofort tötende“ Totschlagfallen gelockt, in denen viele Tiere aber nur schwer verletzt werden und dann jämmerlich sterben. Scharfe Jagdhunde werden in Fuchsbaue geschickt, um die Baubewohner vor die Flinten draußen wartender Jäger zu treiben, obwohl mancher Fuchs sich dabei auf einen Kampf mit dem Jagdhund einlässt und es zu schweren Verletzungen auf beiden Seiten kommt. Im Winter schließlich werden mitten in der Paarungszeit der Füchse sogenannte „Fuchswochen“ veranstaltet, bei denen revierübergreifend so viele Füchse getötet werden wie nur irgend möglich.
Hohe Geburtenraten durch starke Bejagung. Bild: Tambako, Flickr
Als Begründung für die intensive Verfolgung von Meister Reineke führen die großen Jagdverbände an, dass man Füchse bejagen „müsse“, weil sie keine natürlichen Feinde besäßen und sonst überhandnähmen. Diese These lässt jedoch außer Acht, dass Füchse auch zu Zeiten, als Wolf und Luchs noch zahlreicher waren, nicht durch Fressfeinde reguliert wurden. Vielmehr wird ihr Bestand zum einen durch das verfügbare Nahrungsangebot und zum anderen durch soziale Regulationsmechanismen beschränkt: Wo Füchse nicht bejagt werden, leben sie in stabilen Familienverbänden zusammen, in denen nur die dominante Füchsin Junge bekommt. Dadurch ist die Vermehrungsrate bei einem Minimum an sozialem Stress gering; die Fuchspopulation bleibt auch ohne Bejagung auf konstantem Niveau.
Greift nun jedoch der Mensch mit Flinte und Falle in die Fuchspopulation ein, brechen diese Familiengemeinschaften auseinander und nahezu jede Füchsin wird trächtig. Außerdem zeigt sich, dass auch die Anzahl an Welpen pro Wurf in bejagten Gebieten deutlich höher ist. Insgesamt ergibt sich dadurch in Jagdgebieten eine drei- bis achtmal höhere Fortpflanzungsrate als in fuchsjagdfreien Regionen.
Starke Bejagung treibt also lediglich die Geburtenraten in die Höhe, ohne den Fuchsbestand tatsächlich zu reduzieren. Besonders deutlich zeigt dies ein Blick in die europäische Vergangenheit: In den 1970er und 1980er Jahren griff man zu extremsten Mitteln bis hin zur Vergasung ganzer Fuchsfamilien im Bau, um Füchse zur Bekämpfung der Tollwut zu dezimieren. Nach fast zwei Jahrzehnten intensivster Fuchsbekämpfung gab es jedoch mehr Füchse als je zuvor, und die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Tollwut hatte weiter zugenommen. Erst durch den großflächigen Abwurf von Impfködern aus Flugzeugen konnte die Tollwut besiegt werden.
Trotzdem sind es gerade die Jagdverbände, die auch heute noch jede Gelegenheit nutzen, um Panik vor der Tollwut oder auch dem Fuchsbandwurm zu verbreiten – ungeachtet der Tatsache, dass Deutschland seit 2008 frei von terrestrischer Tollwut ist. Erkrankungen am Fuchsbandwurm sind bei Menschen extrem selten: Deutschlandweit erkranken daran pro Jahr etwa 30 Menschen. Das sind deutlich weniger, als durch Blitzschläge oder Jagdwaffen zu Schaden kommen.
Die Jagd trägt übrigens keineswegs dazu bei, das Risiko für den Menschen zu verringern – im Gegenteil: Wo Füchse stark bejagt werden, gibt es mehr Jungfüchse, die sich im Herbst ein eigenes Revier suchen und auf ihren kilometerweiten Wanderungen Krankheiten und Parasiten oftmals erst in neue Gebiete einschleppen. Zudem zeigen Studien, dass junge Füchse für den Fuchsbandwurm empfänglicher sind und mehr Fuchsbandwurmeier ausscheiden als erwachsene Tiere.
Als Argument für die Fuchsjagd wird oftmals auch ins Feld geführt, dass Füchse eine Bedrohung für seltene Beutetiere wie etwa den Feldhasen oder bodenbrütende Vögel darstellten. Tatsächlich ist es jedoch die Ausräumung und Umgestaltung ihrer Lebensräume, die sensible Tierarten in ihrem Bestand bedrohen, nicht etwa Beutegreifer wie der Fuchs, mit denen sie schon seit zehntausenden von Jahren koexistieren. Die Jägerschaft selbst muss sich zudem fragen lassen, warum sie nicht auf den Abschuss von immerhin etwa einer Viertelmillion Feldhasen im Jahr verzichten will.
Studien zeigen dagegen, dass das Töten von Füchsen kein geeignetes Instrument ist, um bedrohten Arten zu helfen. Einerseits hat die Jagd ohnehin keinen nachhaltigen Einfluss auf den Fuchsbestand, und andererseits wird der Einfluss des Fuchses auf seine Beutetierarten meist weit überschätzt. Bei den von Füchsen gefressenen Feldhasen handelt es sich beispielsweise vor allem um Verkehrsopfer, die an Landstraßen als Aas aufgenommen werden. Ein gesunder Hase ist für einen Fuchs dagegen fast unmöglich zu erwischen. Kranken und geschwächten Tieren setzt ein Fuchs dagegen sofort nach – mit dem Nebeneffekt, dass er den Hasenbestand dadurch gesund hält.
Eine wie auch immer geartete „Notwendigkeit“ der Fuchsjagd besteht also offensichtlich nicht. Wirft man jedoch einen Blick in die großen Jagdzeitschriften oder deren einschlägige Internetforen, wird rasch deutlich, worum es bei der Jagd auf Meister Reineke wirklich geht: Dort präsentieren Jäger stolz ihre blutige Beute, sprechen von einem „kaum zu übertreffenden Gefühl der Freude, wenn der Fuchs sich in einer kalten Winternacht im Knall überschlägt“, und beschwören die Lust am Anlocken, Nachstellen und Erschießen von „reifen Winterfüchsen“. All das legt nahe, dass es bei der Verleumdung des Fuchses als Krankheitsüberträger und Schädling nur darum geht, die (lustbringende) Fuchsjagd vor den Augen einer immer kritischer werdenden Öffentlichkeit zu rechtfertigen.
Luxemburg, Genf, Bayerischer Wald: Auch ohne Jagd steigen die Fuchsbestände nicht signifikant an
Luxemburg hat aus diesen Erkenntnissen 2015 die Konsequenz gezogen, den Fuchs ganzjährig von der Bejagung auszunehmen – es fehle schlichtweg der vernünftige Grund für die Jagd auf Meister Reineke. Die bisherigen Ergebnisse des Jagdverbots sind ebenso ermutigend wie überall sonst, wo die Jagd auf Füchse eingeschränkt oder ganz abgeschafft wurde: Gleich, ob in den Nationalparks Berchtesgaden oder Bayerischer Wald, in den Dünengebieten Nordhollands oder im Schweizer Kanton Genf, nirgendwo dort kam es nach Aussetzen der Fuchsjagd zu einem Anstieg des Fuchsbestands, einer Zunahme von Wildkrankheiten oder der Ausrottung bedrohter Tierarten.
Leider haben die großen Jagdverbände in Deutschland wiederholt gezeigt, dass sie an einer derartigen Lösung, die wissenschaftliche Erkenntnisse einerseits und ein sich wandelndes Verständnis vom Tier als Mitgeschöpf andererseits in den Mittelpunkt stellt, kein Interesse haben. Leidtragende dessen sind – wie soft oft – die Tiere. Die allermeisten Füchse sterben hierzulande in ihrem ersten Lebensjahr auf oftmals grausame Weise. Auch ihr Sozialverhalten ändert sich: Sind Füchse in jagdfreien Gebieten oft stundenlang beim Spiel mit ihren Welpen zu beobachten, so hat der hohe Jagddruck bei uns übervorsichtige Füchse herausgezüchtet, die von derartigen Aktivitäten im Freien nichts wissen wollen und sich stattdessen lieber auf Wachtposten begeben.
Letzten Endes trägt die intensive Bejagung von Füchsen in Wald und Feld übrigens auch dazu bei, dass der anpassungsfähige Reineke sich immer häufiger in Siedlungsgebieten blicken lässt. In Städten darf in der Regel nicht gejagt werden, und so treibt neben dem reichhaltigen Nahrungsangebot paradoxerweise gerade die Furcht vor dem bewaffneten Menschen den Fuchs dazu, sich mitten unter uns zu wagen.